Bindung Das Bedürfnis nach Bindung scheint wohl eines der elementarsten zu sein, da dieses Bedürfnis das Überleben eines Babys sichert. Vielleicht kennen Sie das Phänomen, dass ein Baby am besten auf der Mutter schläft, stillend einschläft oder getragen werden möchte. In meiner Arbeit mit Müttern von Neugeborenen und Babys höre ich davon sehr oft. Leider oft mit Verzweiflung der Mutter ins Gesicht geschrieben, dass sie sich nach einem längeren Zeitraum ohne Körperkontakt sehen würde.
Auch gestern konnte ich dieses Phänomen wieder einmal bestaunen. Das kleine 6- Wochen alte Sarah meiner Freundin schlief seelenruhig beinahe drei Stunden am Spielplatz auf dem Arm ihrer Mutter. Sobald wir beschlossen den Spielplatz mit unseren beiden Kindern zu verlassen, legte meine Freundin ihre Tochter in den Kinderwagen. Es dauerte keine zwei Minuten und Sarah meldete sich lautstark zu Wort. Faszinierend, wie ich finde. Dieser Mechanismus sicherte früher das Überleben der Babys. Wäre ein Baby früher irgendwo vergessen worden, hätte es nicht überleben können. Es hätte sich selbst weder ernähren noch vor gefährlichen Tieren in Sicherheit bringen können. Ein Baby muss ein ganzes Jahr lang getragen, gebettet, intensiv gepflegt werden – mindestens! Mein Zuspruch an all die Mütter in meinen Spielgruppen und in meinem Freundeskreis nimmt zwar nicht die Belastung, die eine Mutter tragen muss, denn ein Kind bedarf in den ersten Jahren intensiver Aufmerksamkeit, Pflege und Liebe. Ich hoffe aber immer, dass mein Zuspruch die Geduld einer geforderten Mutter fördern kann.
Das Erstaunliche ist, unsere Kinder gleichen einander nicht. Die einen sind lebendiger, die anderen schlafen gut, die einen verschlingen die Beikost von Anfang an, die anderen tun sich in Mathematik schwer. Anders, als in der Tierwelt. Wir wissen beim Kaninchen, wohin die Reise geht. Wir wissen beim Kaninchen, wo es sich im Garten aufhält und wo es schläft. Ein Kind hingegen erfindet jeden Tag neue Spiele und Ideen. Es tanzt, es baut Türme oder spielt Theaterstücke. Mit Kindern erleben wir ein ständiges Durchlaufen von kreativen Prozessen. Sie imitieren uns, die kopieren uns, die erfinden sich selbst neu. Ein Mensch ist nicht einfach ein Mensch. Wir sind kulturelle, kreative Wesen, in der jeder seinen individuellen Lebensweg beschreitet. Das Kaninchen bleibt Kaninchen. Beim Kind wissen wir nicht, welche Ideen es in der nächsten Minute hat, geschweige denn wie die Welt in 60 Jahren für die Menschheit überhaupt aussehen wird, in der die Kinder von heute einmal Leben werden. (Vgl. Hüther, 2022, S. 10-38)
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